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7 Fragen an einen Rhetoriktrainer: Erfolgreiche Kommunikation als Führungskraft

Dr. Albert Thiele, Präsentations- und Dialektiktrainer sowie Bestsellerautor des Buches „Argumentieren unter Stress“, erklärt, welche Fähigkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation als Führungskraft entscheidend sind und wie man neuen Herausforderungen mit dem richtigen Mindset begegnet. Lesen Sie mehr in unserem Interview.​

New Work, New Leadership, Female Leadership – vieles in der Arbeitswelt und auch in der Unternehmensführung hat sich verändert. Du bist Experte für Business-Kommunikation im digitalen Wandel. Wie hat sich die Kommunikation von Führungskräften in den letzten Jahren verändert? Welche neuen Herausforderungen sind dabei entstanden?​

Die Kommunikation von Führungskräften hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, vor allem durch beschleunigte Digitalisierung, globale Unsicherheiten und neue gesellschaftliche Erwartungen. Ich möchte Ihnen einige Bereiche aufzeigen, in denen Veränderungen vorkommen:

  1. Digitale Transformation und Technologie:​ Führungskräfte müssen neueste Technologien wie KI, Automatisierung und Cloud-Technologien nicht nur verstehen, sondern auch ethisch verantwortungsvoll integrieren. Die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren, Mitarbeiter einzubinden und für Change-Prozesse zu gewinnen, ist entscheidend. Es ist inzwischen Standard, dass analoge, digitale und hybride Kommunikationsmodelle genutzt werden. Strukturierte digitale Plattformen wie Microsoft Teams und ZOOM ermöglichen es, sowohl formelle als auch informelle Interaktionen des Business-Alltags in der virtuellen Welt fortzuführen.
  2. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung:​ Angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel, sozialer Ungleichheiten und geopolitischer Krisen wird vom Top-Management erwartet, dass es die Geschäftspraktiken überdenkt. Vorstände müssen ihre Nachhaltigkeitsziele klar definieren und kommunizieren, um das Vertrauen von Stakeholdern zu sichern und regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.
  3. Mitarbeiterführung und -bindung:​ Der Fachkräftemangel und die Normalität von Remote-Arbeit und hybriden Arbeitsmodellen erfordern neue Strategien zur Mitarbeiterführung. Es ist entscheidend, eine offene und ehrliche Kommunikation zu führen sowie eine klare und motivierende Vision zu vermitteln, die sowohl das Unternehmensziel als auch den Beitrag jedes Einzelnen hervorhebt. Es kommt zudem darauf an, Leistungen anzuerkennen und den Wert jedes Teammitglieds zu betonen. Führungskommunikation beinhaltet auch, allen Mitarbeitenden, unabhängig von Ihrer Herkunft, Möglichkeiten für Weiterbildung und Karriereentwicklung zu bieten.

Führungskräfte sind gleichzeitig Lernende und Gestalter: Sie sollten auf kontinuierliche Weiterbildung setzen und ihre Kommunikationsstrategien anpassen, dass sie den Anforderungen der VUKA- und BANI-Welt erfolgreich begegnen können.

Experte zu erfolgreicher Kommunikatio

© Redaktion/Verlag Dashöfer

Du arbeitest viel mit Vorständen und Führungskräften zusammen und machst sie fit für ihren Auftritt. Was ist die häufigste Angst, die dir bei Führungspersönlichkeiten begegnet? Und wie gehst du darauf ein?​

Bühnenangst ist die häufigste Angst, die mir bei Vorständen und Führungskräften begegnet. Sie ist ein natürlicher Indikator für eine Bedrohung, die ein öffentlicher Auftritt mit sich bringen kann. Die Vorstellung, vor einem großen Publikum zu sprechen, löst Befürchtungen aus, dem eigenen Anspruchsniveau und den Erwartungen der Stakeholder nicht gerecht zu werden.

Das Wort „Angst“ wird von Führungskräften der Unternehmensspitze im Business-Kontext eher vermieden. Stattdessen sprechen sie dann eher von Druck, Stress oder Befürchtungen, die herausfordernde Auftritte mit sich bringen können.

Woran arbeiten wir im Training? Die Kunst besteht darin, den Auftritt sorgfältig vorzubereiten, die Ernstsituation realitätsnah durchzuspielen, offenes Feedback zu ermöglichen und ein selbstbewusstes Mindset zu fördern. Dies soll dazu beitragen, Lampenfieber in Auftrittsfreude zu verwandeln und Kontrollverlust zu vermeiden. Um die Risiken zu minimieren, ist es in jedem Falle ratsam, Strategien für kritische Szenarien – zum Beispiel in Stress-Interviews oder bei Präsentationen – zu durchdenken, zu verinnerlichen und einzuüben.

Kamala Harris hat übrigens das TV-Duell mit Donald Trump auch deswegen gewonnen, weil sie fünf Tage lang die Debatte unter realistischen Studiobedingungen intensiv durchgespielt hatte. Ihre Vorbereitung umfasste nicht nur die inhaltliche Argumentation sondern auch den gezielten Einsatz psychologischer Taktiken. Diese hatten zum Ziel, Trump zu verunsichern und ihn durch Reizthemen und verbale „Köder“ aus seiner Komfortzone zu locken.

Wie trainierst du Führungskräfte, um Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu überwinden, und welche Rolle spielt dabei kameragestütztes Feedback?​

Offenes, kameragestütztes Feedback ist für den Lernerfolg unverzichtbar, um die Frage „Wie wirke ich auf andere?“ zu beantworten und das Selbstbild mit dem Fremdbild abzugleichen. Meine lernbegleitende Unterstützung zielt darauf ab, die Führungskräfte zur Selbstreflexion anzuregen, durch wirkungsvolle Übungen sowie bedarfsgerechten Input die individuellen Stärken auszubauen und Verbesserungspotenziale zu erschließen. Dies ist besonders wertvoll für Führungskräfte der Unternehmensspitze, die vielfach nur zustimmendes Feedback aus ihrem Umfeld erhalten und selten die Gelegenheit haben, ehrliche Rückmeldung zu ihrer tatsächlichen Außenwirkung zu bekommen.

Da meine Medientrainings ganzheitlich konzipiert sind, erhalten die Lernenden Feedback zu allen Aspekten ihrer kommunikativen Performance. Die Vorstände haben in der Regel das Zielbild, souverän, sympathisch und glaubwürdig wahrgenommen zu werden, ihre Kernbotschaften klar und verständlich zu vermitteln und die Kunst des Infotainments anwenden zu können.

Experte zu erfolgreicher Kommunikation

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Jetzt haben wir viel über Ängste von Führungskräften als Teil der Herausforderungen gesprochen. Allerdings braucht es auch Handwerk, um erfolgreich kommunizieren zu können. Welche Fehler siehst du am häufigsten und wie können diese vermieden werden?​

Wenn ich von meinen Seminaren und Coachings ausgehe, dann zeigen sich diese Fehler am häufigsten: mangelnde Fähigkeit, Botschaften klar, kurz und einprägsam zu vermitteln; Vernachlässigung der emotionalen Aspekte bei der Vorbereitung von Auftritten; unzureichende Berücksichtigung der Psychologie bei Change-Prozessen sowie unzureichendes Vermögen, durch Storys, Beispiele und Analogien Gefühle zu wecken.

Ein zentrales Thema, bei dem sich in jedem Führungskräftetraining Optimierungsbedarf zeigt, ist die Kunst des überzeugenden Statements. Die Fähigkeit, Kernbotschaften auf den Punkt zu bringen, ist ein wichtiges Element effektiver Kommunikation.

Im beruflichen Umfeld scheitern viele Statements daran, dass sie unstrukturiert, unklar und abstrakt formuliert sind. Es mangelt an Relevanz, Kürze und Zielorientierung. Lange Wortbeiträge führen zur kognitiven Überlastung der Adressaten. Oft fehlt der Bezug zu den vorhandenen Gedächtnisinhalten der Zuhörer.

Wer Statements klar und zuhörerorientiert formulieren will, kann sich an diesen drei Merkpunkten orientieren:

  1. Verwenden Sie einfache Strukturpläne wie die Fünfsatztechnik:​ Beginnen Sie mit einem situativen Einstieg, argumentieren Sie in drei Schritten (z. B. erstens …; zweitens ...; drittens ...) und schließen Sie mit einem prägnanten Zielsatz ab, die die Kernbotschaft zusammenfasst (z. B. „Daher bin ich der Überzeugung, dass …).
  2. Kommunizieren Sie klar und anschaulich: Vermeiden Sie verschachtelte Sätze, Fachjargon und Weichmacher. Nutzen Sie Storys, Beispiele und Analogien, um emotionale und bildhafte Vorstellungen bei Ihren Zuhörern zu wecken. Sammeln Sie Geschichten, die Ihnen gefallen, in einem Storytelling-Logbuch.
  3. Halten Sie Ihre Beiträge kurz und prägnant:​ Zu lange Beiträge können Ihren Sympathiewert senken und die Aufmerksamkeit des Publikums überstrapazieren. Ein guter Richtwert ist es, die Länge eines Wortbeitrags im Durchschnitt unter einer Minute zu halten, wobei 30 bis 40 Sekunden bei der Nutzung von Fünfsätzen ideal sind.

Durch die Anwendung dieser Techniken verbessern Sie die Klarheit und Prägnanz Ihrer Kommunikation sowie die Wirksamkeit Ihrer Botschaften.

4 Tipps zu erfolgreicher Kommunikation

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Du hast viele Punkte angesprochen, die sich auf Gruppensituationen beziehen. Was sind typische Fehler, die in 1 zu 1 Gesprächen passieren, zum Beispiel in Personalgesprächen?​

Die Herausforderung in Einzelgesprächen besteht darin, eine optimale Balance zwischen Empathie und Zielorientierung zu finden. Diese Notwendigkeit wird durch eine virtuelle Balkenwaage in dem Schaubild unten dargestellt. Wenn jemand zu viel Empathie zeigt, ohne dabei durchsetzungsfähig zu sein, neigt sich die Waage zur linken Seite. Dieses Szenario beschreibt Personen, die Konflikten aus dem Weg gehen und alles für die Harmonie tun. Sie stellen die eigenen Interessen und Meinungen zurück, um andere nicht zu verletzen oder zu verärgern. Gute Sachergebnisse lassen sich so nicht erreichen.

Bei einem sehr dominanten Charakter, der ohne psychologische Sensibilität und Einfühlungsvermögen in ein Gespräch geht, würde die Balkenwaage zur rechten Seite ausschlagen. Dieser Typus tritt direktiv auf, lässt kaum Widerspruch zu, kanzelt andere Meinungen mit Unterbrechungen und Killerphrasen ab und übersieht emotionale Signale des Gegenübers. Das bringt ein frostiges und negativ aufgeladenes Gesprächsklima mit sich. Dieses Szenario verhindert ebenfalls gute Ergebnisse.

Die Balance erfolgreicher Kommunikation

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Es gibt eine Reihe weiterer Fehlerquellen, die produktiven 1:1-Gesprächen im Wege stehen. Ich nenne stichwortartig diese Defizite: unzureichende Vorbereitung der Gesprächsstrategie; mangelnde Fragetechnik, um die Sichtweise, das Vorwissen und die Interessen des Gegenübers in Erfahrung zu bringen; keine Phasenkonzepte für den roten Faden im Gespräch. Darüber hinaus kommt kein echter Dialog zustande, weil die Akteure nicht zuhören, sondern nur darauf warten, die eigenen Argumente vorzubringen. Schließlich werden Veränderungen in Gestik, Mimik und Augenkontakt beim Gegenüber kaum wahrgenommen. Das ist schade, denn Verständnisprobleme, Skepsis oder Akzeptanz zeigen sich häufig in körpersprachlichen Signalen.

In Seminaren zur Gesprächsführung bietet sich die Chance, die Voraussetzungen für gute Gespräche zu vermitteln, individuellen Lernbedarf durch videogestütztes Feedback bewusst zu machen und durch bewährte Übungen spürbare Fortschritte zu machen.

Wer Entscheidungen trifft, macht sich nicht nur Freunde. Hast du noch weitere Tipps für eine erfolgreiche Kommunikation für Führungskräfte?​

Ich komme noch einmal auf die Fragetechnik zurück. Zu Beginn eines Gesprächs sind offene Fragen hilfreich, um die Sichtweise des anderen zu erkunden und Anknüpfungspunkte für die eigene Argumentation zu identifizieren. Die Neurowissenschaft lehrt uns, dass neue Informationen besonders gut aufgenommen werden, wenn sie an bestehende Vorerfahrungen des Gesprächspartners anknüpfen. Nutzen Sie daher die Gelegenheit, Ihren Gesprächspartner beispielsweise nach seinen Prioritäten, Entscheidungskriterien oder seinem Vorwissen zu fragen („Herr Dr. Müller, was ist Ihnen heute besonders wichtig?“, „Welche Anforderungen stellen Sie an …“, „Inwieweit sind Ihnen bereits ähnliche KI-Lösungen bekannt?“ etc. Wenn Sie später Ihre Argumente vortragen, können Sie auf die Antworten Ihre Gegenübers zurückkommen.

Einen zweiten Tipp: Wenn ein einfaches Schema für Ihre Argumentation suchen, hilft die 3-B-Formel: Behauptung: „Ich bin für ein Tempolimit von 130 km auf deutschen Autobahnen.“ Beweis/Argument: „Dadurch werden die CO2-Emissionen erheblich reduziert, was dem Klima zugutekommt.“ Beispiel: „Laut einer Studie des Umweltbundesamtes können so 6,7 Millionen Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden.“

Vergessen Sie nicht den Grundsatz der Dialektik: Wer behauptet ist beweispflichtig. Lassen Sie pure Behauptungen nicht durchgehen, selbst wenn sie rhetorisch geschickt vorgetragen werden. Fordern Sie Beweismittel und tragen Sie damit zu einer Diskussion bei, die fundierte Argumente in der Vordergrund stellt.

Wir haben uns auf Schloss Montabaur im Rahmen eines Trainings bei einem Kunden kennengelernt der VR EasySpeech nutzt. Die Teilnehmenden haben eine Woche intensives Kommunikationstraining gehabt und durften danach VR EasySpeech nutzen, um die erlernten Kompetenzen weiter zu festigen. Du warst dafür direkt sehr offen und auch total interessiert an VR EasySpeech. Welche Vorteile siehst du bei VR EasySpeech für die Ausbildung?​

Ich bin ein Anhänger multipler Lernformate. Für mich ist es spannend zu sehen, wie die lernenden Führungskräfte durch die neuen Möglichkeiten der KI unterstützt werden und dadurch zusätzliche Lernchancen im Rhetoriktraining erhalten. Wenn jemand im Seminar das Feedback bekommt, mehr Sprechpausen einzufügen und Weichmacher zu vermeiden, kann er mit Hilfe der VR-Brille gezielt an diesen Punkten arbeiten: selbstgesteuert, im eigenen Lerntempo und mit direktem Feedback. Eine besondere Stärke von VR-Brillen liegt darin, in unterschiedlichen virtuellen Szenarien zu trainieren. So kann man etwa Stegreifvorträge oder Präsentationen in einem selbst gewählten immersiven Setting wie einem Hörsaal oder einem großen Event halten. Dabei werden Qualitätsmetriken wie Pausenlänge, Sprechtempo oder Weichmacher und Wiederholungen gemessen. Der Schwerpunkt liegt auf paraverbalen Signalen und non-verbalen Aspekten wie Blickkontakt sowie der Entwicklung sprachlicher Sicherheit und der Bewältigung von Lampenfieber.

Mit der bevorstehenden Integration von ChatGPT in die VR-Brillen wird VR EasySpeech den Lernenden ermöglichen, zusätzlich Feedback zu den Inhalten der Vorträge und zur Qualität der Argumentation zu erhalten. Ich freue mich darauf, diese Innovation in absehbarer Zeit kennenzulernen.

Damit vielen Dank für den zweiten Teil unseres Gesprächs, Albert!​

 

Michelle Bittroff
Michelle arbeitet seit Oktober 2023 als Online-Redakteurin beim Verlag Dashöfer. Nach ihrem Germanistik-Studium in Leipzig hat es sie in die schöne Hansestadt Hamburg verschlagen, wo sie in ihrer Freizeit gerne spazieren geht und mit einem Kaffee in der Hand den Blick auf die Alster genießt.
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